Farbstoffe im Aperol Spritz: Gesundheitsrisiko oder Panikmache? (2024)

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Faktencheck: Nein, im Aperol Spritz lauert keine orange Zeitbombe

Für viele Menschen gehört Aperol Spritz zum Sommer dazu. Doch nun sind Warnungen aufgetaucht, laut denen im Drink krebserregende Stoffe stecken sollen. Doch die Aufregung ist laut Fachleuten unbegründet.

von
Fee Anabelle Riebeling

Aperol krebserrgend? Darum gehts

  • Social Media Posts behaupten, dass Aperol Spritz wegen der Farbstoffe E110 (Gelborange S) und E124 (Cochenillerot A) extrem krebserregend sei.

  • Laut europäischen und schweizerischen Zulassungsbehörden besteht in den zugelassenen Mengen keine Gesundheitsgefahr durch diese Farbstoffe.

  • Problematischer ist dagegen der Alkohol selbst.

Die Behauptung

Aperol Spritz – Aperol mit Prosecco und Mineral – soll «stark krebserregend» oder sogar «extrem stark krebserregend» sein. Das behaupten diverse aktuelle Social-Media-Posts. Grund dafür sollen zwei im Aperol enthaltene synthetische Farbstoffe sein: E110 (Gelborange S) und E124 (Cochenillerot A).

Die Bewertung

Aperol enthält die beiden Farbstoffe tatsächlich. Doch in den geringen Mengen, in denen E110 und E124 in Lebensmitteln zugelassen sind, besteht für die menschliche Gesundheit keine Gefahr. Das betonen die europäische Zulassungsbehörde wie auch das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Vorausgesetzt, man hält sich an die vorgegebene tägliche Höchstdosis. Gemäss Studien geht die Krebsgefahr vielmehr vom Alkohol aus.

Darum hat es E110 und E124 im Aperol

Bei E110 und E124 handelt es sich um Lebensmittelzusatzstoffe. Sie gehören zur Gruppe der Azofarbstoffe. Diese werden synthetisch hergestellt und gelten als besonders lichtecht und farbstabil. Deshalb findet man sie in zahlreichen Produkten: E110 kommt etwa in Käse und Gummibärchen zum Einsatz, E124 in Backwaren oder Konfitüren.

Im Bitterlikör Aperol sorgen sie dafür, dass dieser seine Farbe erhält. Zusammen ergeben sie das typische Orange. Auf dem Etikett finden sich keine Angaben zu den beiden Farbstoffen, ebenso wenig auf der Website des Unternehmens. In den FAQ heisst es lediglich: «Aperol enthält künstliche Farbstoffe.» Mehr Informationen gibt es dagegen bei einem Amazon-Angebot, zu dem man über einen Direktlink des Aperol-Shops auf Amazon gelangt. Dort werden im Abschnitt «Important Information» (auf Deutsch: wichtige Informationen) neben einem Alkoholgehalt von elf Prozent auch «Zucker, Alkohol, Pflanzenauszüge, Chinin, Natriumchlorid, Farbstoffe Gelborange S. (E110), Cochenillerot A (E124)» als Inhaltsstoffe angeführt.

Farbstoffe im Aperol Spritz: Gesundheitsrisiko oder Panikmache? (2)

Darum stehen die beiden Farbstoffe im Fokus

Die Wirkung beider Farbstoffe wurde in der Vergangenheit untersucht. Dabei zeigte sich, dass E110 bei anfälligen Menschen allergen wirken und Asthma sowie Neurodermitis triggern kann. Bei Tieren soll es zu Nierentumoren geführt haben, heisst es in einem Beitrag des Hamburger Umweltinstituts aus dem Jahr 2020 (Pdf). Bei Menschen sei allerdings bisher kein solcher Zusammenhang nachgewiesen worden.

Ob E124 krebserregend ist, lässt sich aus der Datenlage nicht klar schliessen. Zwar stellten japanische Forschende 2001 fest, dass sich das Krebsrisiko bei Mäusen erhöhte – allerdings bei langer Gabe in hoher Konzentration. Andere Studien fanden dagegen keine Hinweise. Dennoch sind die Farbstoffe nicht unumstritten.

Trinkst du Aperol Spritz?

Zulassungsbehörden sehen bei E110 und E124 in geringen Mengen kein Risiko

Sowohl E110 als auch E124 sind in der Europäischen Union und der Schweiz als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen. Dies erfolgt nur, wenn sie etwa gesundheitlich unbedenklich sind.

«Bei Verwendung von Zusatzstoffen gemäss Zusatzstoffverordnung sind keine Nebenwirkungen zu befürchten.»

Für die Regelungen im EU-Raum ist die Efsa zuständig. An den Sitzungen nehmen auch Beobachter aus der Schweiz teil. Die Schweiz regelt die Zusatzstoffe allerdings eigenständig, so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV auf Anfrage von 20 Minuten. «In diesem Fall sind diese Werte jedoch mit denjenigen in der EU harmonisiert.»

E110 und E124: Diese Mengen sind erlaubt

Das heisst: In Alkoholika wie Aperol sind für E110 (Gelborange S) 100 Milligramm pro Liter und für E124 (Cochenillerot A) 170 Milligramm pro Liter zulässig, so das BLV. Die Gesamtmenge der beiden Farbstoffe dürfe 200 Milligramm pro Liter nicht überschreiten. «Bei Verwendung von Zusatzstoffen gemäss Zusatzstoffverordnung sind keine Nebenwirkungen zu befürchten», erklärt eine Sprecherin des BLV. «Selbst bei einer kurzzeitigen erhöhten Aufnahmemenge nicht, da die Höchstwerte mit einer 100-fachen Sicherheit festgelegt werden.»

Die von der Efsa festgelegte zulässige tägliche Aufnahmemenge liegt bei E110 bei vier Milligramm und bei E124 bei 0,7 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Demnach könnte laut der Nachrichtenagentur DPA eine 70 Kilogramm schwere Person «täglich bis zu 490 Milliliter Aperol trinken, ohne die empfohlenen Grenzwerte zu überschreiten.» Vorausgesetzt, der Hersteller nutze die erlaubte Höchstmenge der Farbstoffe und setze sie zu gleichen Teilen ein.

Finnland, Norwegen und die USA sollen es anders bewerten

In einigen Social-Media-Beiträgen heisst es, E124 sei in den USA in Lebensmitteln verboten. Das ist korrekt, wie bei der US-Zulassungsbehörde FDA nachzulesen ist (zum Beispiel hier und hier).

Nicht nachvollziehen hingegen lassen sich die Behauptungen, wonach Finnland und Norwegen den Farbstoff als «potenziell krebserregend» einstufen. Beide Länder sitzen im Beirat der Efsa und sind laut der Nachrichtenagentur AFP «den EU-Bestimmungen im Lebensmittelbereich unterworfen». Weder auf der Website der finnischen, noch auf der jener der norwegischen Lebensmittelbehörde konnte die AFP entsprechende Hinweise finden. In einem Telefonat soll ein Sprecher der norwegischen Behörde zudem erklärt haben, dass das Land in diesem Bereich grundsätzlich an EU-Regeln gebunden sei.

Aperol trotzdem nicht unproblematisch

Auch wenn die zugelassenen Mengen aus Sicht der Behörden gesundheitlich unbedenklich sind, sollte man Aperol nicht in rauen Mengen konsumieren – wegen des enthaltenen Alkohols. Dieser gilt als krebserregend. Laut einer Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) gingen im Jahr 2020 14 Prozent der Krebsdiagnosen auf mässigen, 39 Prozent auf riskanten und 47 Prozent auf starken Alkoholkonsum zurück (siehe Box).

Mässig, riskant, stark?

Das Team um Harriet Rumgay definierte 0,1 bis 20 Gramm Alkohol (ein bis zwei Gläser) pro Tag als mässigen Alkoholkonsum. Die tägliche Aufnahme von 20 bis 60 Gramm (zwei bis sechs Gläser) bezeichneten sie als riskanten und die von mehr als 60 Gramm (mehr als sechs Gläser) als starken Alkoholkonsum.

Aufgrund der krebserregenden Wirkung von Alkohol forderten Forschende schon 2017 Warnhinweise auf Wein, Bier und Spirituosen. Zwei Jahre später kam ein anderes Forschungsteam zu dem Schluss, dass eine Flasche Wein so schlimm wie zehn Zigaretten ist.

Doch nicht nur Krebs ist eine mögliche Folge von Alkohol. Bei einem Zuviel drohen auch andere gesundheitliche Folgen wie Organschäden, Probleme mit dem Herz-Kreislaufsystem oder psychische Probleme (siehe Bildstrecke). Nicht zu vergessen: Alkohol kann abhängig machen.

Fazit

Auf Social Media kursiert die Behauptung, die dem Aperol zugesetzten synthetischen Farbstoffe E110 und E124 seien krebserregend. In den geringen Mengen, wie sie in Lebensmitteln zugelassen sind, besteht laut den für die Zulassung verantwortlichen Behörden in der EU und der Schweiz keine Gesundheitsgefahr – solange die vorgegebene tägliche Höchstdosis nicht überschritten wird. Fachleute halten den enthaltenen Alkohol für deutlich problematischer. Richtig ist allerdings, dass die USA den Einsatz von E124 in Lebensmitteln verboten hat. Belege, dass Norwegen und Finnland den Farbstoff als krebserregend einstufen, konnten nicht gefunden werden.

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Author: Allyn Kozey

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